Aus langer Versenkung melde ich mich zurück mit einer Geschichte, wie sie nur das kopflose Dasein eines Teenagers schreiben kann….
Heute morgen schreckte ich hoch und merkte: Auweh, verschlafen! Ich war aufgrund des Jetlags von der vorigen kurzen Fußballnacht gestern Abend über meinem Mobilfon eingeschlafen, das natürlich ohne Saft aus der Dose irgendwann die Schotten dicht machte und die eigentliche Weckzeit gemeinsam mit mir im Tiefschlaf verbrachte.
Nach einem schnellen Blick zur Wand – 7:27 Uhr !!!!! – flog ich geradezu die Treppen herunter und rief nach unserem Großen: „Schnell!!!! Wir haben verschlafen!“
Aus den Tiefen seines persönlichen Höhlenbunkers (Jugendzimmer im Tiefparterre) murmelte es mir mit sonorer Stimme entgegen: “ Ja! …. aber ich nicht!“
Abrupt blieb ich stehen.
Diese Info musste ich erst mal verdauen…..
Er nicht ??????? …. %&!?§§$$%%&& !!!!!!!!
Ich überschüttete meinen inzwischen herangeschlurften, bereits komplett gestylten Teenager mit Flüchen pädagogisch fragwürdigen Phrasen, die er mit Schulterzucken und verschiedenen haltlosen Erklärungsansätzen beantwortete, die mit „Ich dachte…“ begannen, woran ich doch sehr zweifelte. Immer noch fassungslos drehte ich mich um und rannte wieder nach oben, um unseren Grundschüler zu wecken, der in diesem Moment eigentlich fix und fertig angezogen das Haus hätte verlassen müssen.
Nun folgte der in solchen Situationen übliche Wahnsinn und die verzweifelten Versuche, Frühstück, Ankleiden, Brotzeit schmieren und Getränke herrichten möglichst simultan und bis vorgestern erledigt zu haben. Dem Großen drückte ich Geld in die Hand: „Da, kauf dir was am Schulkiosk, ich hab jetzt keine Zeit!“
Während er sich schnell seine Trinkflasche – aus Zeitgründen mit fertigem Fruchtschorle – befüllte, rief der Teenager plötzlich wie aus heiterem Himmel: “ Mist! Ich hab ja heute einen Ausflug! Da musst du noch so nen Zettel schreiben, weil ich hab den verschlampt und sonst darf ich nicht mit…“
Was zum …. %&!?§§$$%%&& !!!!!!!!
Ich kritzle also schnell was von Kenntnisnahme und so auf eine leere Exenkopie, die zufällig noch von meinem gestrigen Unterricht hier rumliegt und schnipple emsig verdächtige Zeilen rundrum ab, so dass nur der Anschein von liniertem Papier übrig bleibt. Erst dann fällt mir auf, dass auf der Rückseite noch ein vierblättriges Kleeblatt mit dem verheißungsvollen Wunsch „Viel Erfolg!“ prangt… na, auch egal!
Währenddessen fällt mir ein, dass die Nachbarskinder ja gar nicht wissen, dass unser Kurzer sie heute nicht abholen kommen kann. Mein Handy ruht immer noch in Grabesstille, so fällt die Option flach, alle schnell über WhatsApp zu informieren (weise Mütter haben für solche Fälle extra ne Gruppe! 😉 ). Also schreie bitte ich meinen Großen, schnell zu M. zu laufen und Bescheid zu geben. Der starrt mich (natürlich!!!) entgeistert an, als hätte er diesen Namen noch nie gehört. (Ja,es ist ein seltener Name, den es hier weit und breit nur einmal gibt. Ja, er kennt das Kind persönlich.) Ich fuchtle also mit Händen und Füßen, fluche erkläre nochmals, was ich möchte und Mister Kopflos zieht jammernd ab („Ich bin immer an allem schuld! Immer bin ich der Blöde!….“) , um seinen Auftrag auszuführen.
Als er wiederkommt – ich habe inzwischen den Kurzen ins Bad bugsiert und schnell ein Brot für ihn geschmiert – wird mir klar, dass der Große sich ja gar keine Brotzeit am Schulkiosk kaufen kann, wenn er auf einem Ausflug unterwegs ist. „Hast du wenigstens was gefrühstückt?“, frage ich ihn. „Nö, hatte keinen Hunger.“, kommt prompt die Antwort. „Kauf dir schnell noch was vorne beim Discounter an der Ecke!“, schlage ich vor, da fällt mein Blick auf die dunklen Wolken draußen am Himmel, während mein Teenager irgendwas von „Ach Mann, ich komm voll zu spät!“ nölt.
Es folgt eine kurze, gefühlte 1000000 Mal geführte Diskussion darüber, warum sich Sweatshirtjacken bei Regenwetter weniger gut eignen ais Regenjacken, dann stopft er missmutig seine Regenjacke in den vorhin schnell befüllten Rucksack meines Mannes.
Aus dem nun unten eine rötliche Brühe tropft.
„Mist, die Flasche läuft aus!“
Also alles schnell raus aus dem väterlichen Rucksack (Na, der wird sich freuen!), Regenjacke notdürftig abgewischt, eine original verpackte Fruchtschorle rein und los gehts. Für Einkäufe im Discounter ist nun natürlich endgültig keine Zeit mehr….
..oder vielleicht doch? „Wann trefft ihr euch eigentlich?“, fragte ich mein kopfloses Wesen.
Dass ich auf diese Frage keine wirklich zufriedenstellende Antwort bekomme, wird dem aufmerksamen Leser schon bewusst sein. Und so zieht er also ab, begleitet von meinen beschwörenden Worten, er möge aber BITTE vorsichtig fahren! (…und dem fiesen Gedanken, ich gebe es offen zu, er möge sich verspäten und seine Schuld in einem elendslangweiligen Unterricht der Parallelklasse absitzen müssen.)
Der Kurze indessen kämpft inzwischen mit T-Shirt und Hose und verfällt nun ersatzweise in des Bruders jammernden Tonfall: „Mamaaaa, du musst mich hin-fah-reeeen! Ich kann doch nicht alleine zur Schule laufen!!!“
„Nein, Schatz, das geht nicht! Deine Schwester liegt oben im Bett und schläft. (Wie auch immer – bei dem Krach, ein wahres Wunder!) Es folgt eine kleine Unterweisung in moralischer Psychologie, in der ich in schillernden Worten ausmale, was in einer Kinderseele vorgeht, wenn sie morgens entdeckt, dass das Haus komplett menschenleer ist. Was den Kurzen natürlich nicht im geringsten beeindruckt, er weint inzwischen sogar und klammert sich panisch an mich.
Also ziehe ich alle Register:
- Positiv verstärken: „Du kannst das! Du warst schon alleine in der Bibliothek und da kommst du ja auch an der Schule vorbei!“ (schluchz)
- Bestechen: „Du bekommst auch Gummibärchen als Wegzehrung mit!“ (schluchz!)
- Drohen: „Los jetzt, du musst los, reiß dich zusammen!“ (schluchz!!!)
Es hilft alles nichts, der Kurze wird nun mit einem dicken Schmatz energisch aus der Tür geschoben und muss seine inneren Widerstände allein überwinden. Ich denke, die Gummibärchen haben dann schon noch geholfen….
Jetzt aber schnell ans Telefon und die Schule informiert, dass der kleine Herr sich wohl um ein paar Minuten verspäten wird.
Dann tieeeeefes Durchschnaufen. Endlich geschafft….
Aber Nein, das war’s noch nicht ganz:
Epilog:
Gegen halbneun rief ich in der Schule des Großen im Nachbarort an, um zu erfahren, ob er auch angekommen sei, da klärte mich die Schulsekretärin darüber auf, dass Herr Kopflos, ähnlich verwirrt wie er hier weggefahren war, kurz vor acht bei ihr aufgetaucht sei, um zu erfahren, dass sich die Klasse um halbneun an der S-Bahn-Station in unserem Ort zum Ausflug trifft.
Ich konnte mir ein hämisches Lachen nicht ganz verkneifen, war aber letztlich doch froh, dass er sich nun (inzwischen von ihm per WhatsApp bestätigt) doch noch beim Kiosk am Bahnhof ein Frühstück hatte kaufen können.
Oh.
Mann.
Kopflos.
😀